Über LEÏLA SLIMANI „Dann schlaf auch du“, 2016, von Brigitte Drews

 

Klappentext

Sie haben Glück gehabt, denken sich Myriam und Paul, als sie Louise einstellen – eine Nanny wie aus dem Bilderbuch, die auf ihre beiden kleinen Kinder aufpasst, in der schönen Pariser Altbau Wohnung im 10. Arrondissement. Myriam und Paul können sich endlich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren, während Louise wie mit unsichtbaren Fäden die Familie zusammenhält, ebenso unbemerkt wie mächtig. In wenigen Wochen schon ist ihre Kinderfrau unentbehrlich geworden. Die Eltern ahnen nichts von den Abgründen und von der Verletzlichkeit der Frau, der sie das Kostbarste anvertrauen, das sie besitzen. Von der tiefen Einsamkeit, in der sich die fünfzigjährige Frau zu verlieren droht. Bis eines Tages die Tragödie über die kleine Familie hereinbricht. Ebenso unaufhaltsam wie schrecklich.

 

Vor dem Hintergrund dieser individuellen familiären Konstellation zeichnet die Autorin ein differenziertes Porträt der sozialen Verwerfungen im heutigen Frankreich. Myriam und Paul wollen ein perfektes Paar sein, Familie und Beruf unter einen Hut bringen, alles richtig machen – und zwar so, dass man das Ergebnis guten Gewissens vorzeigen kann. Die französisch-marokkanische Schriftstellerin gibt Einblicke in ein bourgeoises Milieu, das ‚grün‘ denkt und lebt, gebildet und weltoffen scheint, dabei zugleich halbbewusst latenten Rassismus sowie Klassen- und Geschlechterunterschiede reproduziert.

Es ist die Geschichte eines fatalen Missverständnisses zwischen diesem Mittelschichts-Milieu und den prekären Verhältnissen, in denen die Nanny lebt, und über deren Lebensumstände sich Myriam und Paul keine Gedanken machen. Doch wie sehr kann man einem fremden Menschen vertrauen? Zu spät bemerkt das Ehepaar, dass die Nanny sich in ihrem Leben eingenistet hat, um es am Ende zu dominieren.

Der Roman ist raffiniert und präzise komponiert, gut erzählt – gleichermaßen bedrückend und spannend.

Anzumerken bleibt, dass die Gesellschaftskritik, der zufolge der Täter zugleich Opfer ist, ein wenig holzschnittartig daherkommt.

Insgesamt eine empfehlenswerte Lektüre, in der kammerspielartig unsere Gesellschaft mit all ihren Widersprüchen beschrieben wird. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass ich zunächst sehr verhalten an die Lektüre dieses Romans gegangen bin, doch sowohl durch eine stringente Komposition als auch eine ausdrucksstarke Erzählweise ist es der Autorin gelungen, mich in ihren Bann zu ziehen.