Rezension 2
Der Sohn des Morgensterns
Am 25. Juni 1876 nahm eine bemerkenswerte Karriere ihr rühmliches oder, je nach Blickwinkel, unrühmliches Ende. Die „Schlacht“ am Little Big Horn, in der sich die 7. US-Kavallerie unter dem Kommando des legendären 37-jährigen Brigadegenerals George Armstrong Custer einer bis dahin ungesehenen Ansammlung indigener nordamerikanischer Ureinwohner unter der Führung der nicht minder legendären Crazy Horse, Gall und Sitting Bull gegenüber sah, ist ein Monument US-amerikanischer Geschichte. Sie steht, wie das Star-Spangled-Banner, welches die Astronauten der ersten Mondlandung auf dem Erdtrabanten hinterließen, für immer auf dem staubigen Hügel der Geschichte der Kolonialisierung Nordamerikas.
Das kurze Kampfgeschehen am Little Big Horn River im Süden des heutigen Bundesstaates Montana stellte einen Wendepunkt in der Geschichte der Politik der Vereinigten Staaten dar. Insbesondere nahm es unheilvollen Einfluss auf die bis dato ohnehin schon von nicht gehaltenen Versprechen, gebrochenen Verträgen, Verachtung und Gewalttätigkeiten geprägten „Indianerpolitik“ der damaligen US-Regierung, welche in dem „Roten Mann“ stets nur die Last des Weißen Mannes erkannte, die einer ungebremsten Expansion und Ausbeutung von Ressourcen im Wege stand. Die Niederlage und nahezu vollständige Vernichtung der 7. Kavallerie und ihres charismatischen wie überheblichen Kommandeurs setzen einen Vernichtungszug gegen die indigene Bevölkerung in Gang, der knapp anderthalb Jahrzehnte später am Fluss Wounded Knee Creek in South Dakota endete. Jenes Gemetzel an erschöpften depravierten alten Männern, Frauen und Kindern an einem bitterkalten Wintertag wurde, die Frage darf lauten: Ironie des Schicksals oder wohl gewählte Inszenierung, von der neuformierten 7. US-Kavallerie begangen. Die Folgen dieses Endes indigener Selbstbestimmtheit sind noch heute als andauernder Prozess im Alltagsleben der Vereinigten Staaten zu beobachten.
Evan S. Connells minutiöse Rekonstruktion der Schlacht am Little Big Horn sowie, vor allem, seine gleichermaßen detaillierte Darstellung der Vorgeschichte (samt Vorstellung aller involvierten Hauptpersonen) ist eine kulturhistorische Untersuchung von Rang. Das Buch ist die bis dato wohl umfassendste Studie der Schlacht am Little Big Horn und liefert neben seiner Faktenfülle bedachte Interpretationen und kluge Wertungen, die dem Leser viel Werkzeug an die Hand geben, das US-amerikanische Selbstverständnis und auch die US-amerikanische (Außen-)Politik heutiger Tage zu entschlüsseln.
Was also könnte uns die Lesefreude noch verleiden? Das Buch liegt bedauerlicher Weise nicht in deutscher Übersetzung vor. Es sei somit jedoch nicht nur denjenigen ans Herz gelegt, deren Englisch noch über das einstige Schulenglisch hinausgeht. Zumal es hinreichend gute Wörterbücher gibt, die lohnenden knapp 420 Seiten in Angriff zu nehmen. Die umfangreiche Bibliographie am Ende des Buches bietet zudem weiterführende Literatur, dient aber auch als Quellenangabe, da das Buch selbst ohne den Lesefluss störende Fußnoten auskommt. Verweise auf Quellen finden sich in aller Regel im laufenden Text, Fototafeln geben bildlichen Eindruck.
Besprochen: Evan S. Connell, Son of the Morning Star, New York 1984.
Rezensent: Nils Aulike
Rezension 1
Andere Häfen von Christopher Ecker
„Andere Häfen“ von Christopher Ecker vereint viele Einzeltexte, die wie Diamanten zu glänzen wissen, wie Petit Fours zu genießen sind, wie Wasser den Geist bereichern. Die Texte wenden sich an Leserinnen und Leser, die es zu schätzen wissen, dass ein Autor an und mit Worten und Sätzen arbeitet, Prosa schreibt, Sprache gestaltet. Die Inhalte sind teilweise vordergründig zu verstehen (Zwei Kätzchen), oft mindestens doppelsinnig (Zitronenarm) und häufig geheimnisvoll (Magst du mich?). Sie enthalten wortreiche Beschreibungen: Detailgenau wird der Schmerz dargestellt in ‚Der brennende Berg’, machen die überdeutlichen Bilder in ‚Auf glühenden Kohlen’ uns zu Mitwissern, wird uns Lesern ein Spiegel vorgehalten in „Verlorenheit“. Tod und Sterben, Miteinander und Alleinsein, das Schreiben an sich werden behandelt und dies ganz unterschiedlich.
In Bezug auf die unterschiedliche Länge der Texte sagte Herr Dr. Sandfuchs in seiner Einführung im Literaturhaus, dass er dieses Buch allen wünsche, die an einem Tisch in einem Restaurant auf den oder die Raucher warten müssten. Es eignet sich ebenso dafür, immer wieder in die Hand genommen zu werden; denn bei vielen Texten möchte ich gleich noch einmal beginnen, um dem Rätselhaften näherzukommen, Teile der Selbstreflexionen des Autors mit meinen Erfahrungen zu verknüpfen oder Freude an geschliffener Prosa zu empfinden, die sich nicht davor scheut, auch grauenhafte oder gemeinhin als obszön benannte Inhalte darzustellen.
Für mich ist es ein Buch, das ich häufiger verschenke, das im Bücherschrank verbleibt, auch wenn dieser sich verkleinern wird, ein Buch, für das ich hoffentlich noch lange den Verstand behalte: ein Buch fürs Leben. „Denn Geschichten sind Kisten, weiß ich nun, die man an die Stelle stülpt, die niemals ein anderer betreten soll.“ S. 129
Freundeskreisabend im Winter
Im November, schon traditionell am Buß- und Bettag, laden wir vom Freundeskreis ‚Kieler‘ BuchhändlerInnen ins Literaturhaus, am 20. 11.2019 kamen Frau Lalowski von der Wiker Buchhandung, Frau Goullon von der Flintbeker Bücherstube, Herr Harder von der Buchhandlung Almut Schmidt in Friedrichsort.
Gisbert Osmy hatte – neben vielem anderen – die Liste vorbereitet, die durch eigene Eindrücke ergänzt werden konnte, Stephan Ratschow saß hinter einem gut gefüllten Büchertisch und verkaufte in der Pause und hinterher ganz gut für die Buchhändler/innen.
Regina Gehrts war wie so oft für die hübschen Tische (und später für den Getränkeausschank) zuständig. In der Pause gab es muntere Gespräche und ein abwechslungsreiches Büfett, das wie immer von Freundeskreismitgliedern erstellt und gespendet worden war. Ich bedanke mich ausdrücklich bei unseren Gästen und bei allen, die mithelfen und unterstützen. Es ist ein schöner Freundeskreisabend und wir gingen nach konzentriertem Zuhören mit vielen Anregungen zum Lesen nach Hause.
Der Freundeskreisabend wird am 12. Januar um 11 und 22 Uhr beim Offenen Kanal ausgestrahlt
Lesefest Länderschwerpunkt Norwegen
Ein wunderbarer Sommerabend, windstill, angenehm warm (zunächst), SOMMERFEST des Literatursommers zum Thema Norwegen am 2. August 2019; und wir vom Freundeskreis haben nicht unerheblich zum Gelingen beigetragen.
Gisbert, Günther und Nils waren tagsüber und abends dabei: Auf- und Abbau, Gisbert hat am frühen Abend 55 Stockwerke gezählt, die er bis dahin gelaufen war!
Die leckeren Speisen für das umfangreiche Büfett haben gezaubert, d.h. Zeit, Zutaten und Mühe investiert: Gisela, Karin, Heike, Brigitte D, Regina G, Anne, Brigitte L, Maren, Ute P., Marianne und Ute Z. köstlich, Appetit anregend, bald verzehrt. Heike saß an der Hauptkasse, Gitti, Gisbert, Maren und Ute P. verkauften Getränke, Marianne, Karin und Regina verkauften am Büfett. Viele blieben noch zum Aufräumen, das war schön. Und als ich ging, war Gisbert immer noch dabei, mit den jungen Leuten Tische und Bänke zu räumen. VIELEN DANK an alle, es ist eine Freude!
Ach ja, für das Literaturhaus sicher eine Hauptsache: Die beiden ‚Lesungen‘ waren hervorragend: klug ausgewählt und ‚genau richtig‘ zugeschnitten, interessant ‚zubereitet‘ und konzentriert ausgeführt, ein intensiver Genuss, der mit großer Aufmerksamkeit belohnt wurde. Danke, Sara Francese und allen anderen Mithelfern.
Frühstück im Frühling 2019

Unsere traditionelle Veranstaltung schlägt eine Brücke zwischen Lesen/Literatur, einer Person des öffentlichen Lebens in Kiel und dem Zusammensein innerhalb des Freundeskreises und mit Gästen.

Es gab großartiges Wetter, um draußen zu sitzen, aber wir haben uns wegen des technischen Aufwandes für die Veranstaltung im Hause entschieden, gleichwohl gab es dekorierte Tische und Bänke im Schatten vor dem Haus, die während der Pausen und im Ausklang auch gut genutzt wurden. Unsere Gäste waren zahlreich erschienen, gefreut haben wir uns über Dr. Sandfuchs, Gudrun Fohrmann und Alisa Woronow vom Literaturhaus und später die junge Familie Prinz (ehemals Sara Dusanic)!

So gab es volle Aufmerksamkeit für einen Vortragenden, der sich über unsere Einladung gefreut hatte. Dr. Kai U. Jürgens erzählte frei und interessant von seiner Leseentwicklung, seinen Lesevorlieben und seinen Lieblingsautoren. Immer muss es die Sprache sein, Rhythmus, ein Sog muss entstehen, der ihn als Leser in den Text hineinzieht. Dies verdeutlichte er eindrucksvoll durch den gekonnten Vortrag einer kleinen feinen Auswahl an Prosatexten und – nach der Frühstückspause – Gedichten. Samuel Beckett, Arno Schmidt, Thomas Bernhard, Ror Wolf, Christopher Ecker wurden von ihm genannt, er konnte keine Autorin nennen, die ihn in gleicher Weise in den Bann gezogen hätte. Wir bedankten uns herzlich bei unserem Gast, der uns eine solch anregende Zeit beschert hatte.


Für das überaus leckere und abwechslungsreiche Büfett und die Rundumbetreuung mit Getränken bedanken wir uns sehr gern bei: Heike Bunzen, Nana Fahl, Angelika Faust, Illa Feldmann, Renate Graetsch, Ulla Klosa, Maren Nielsen, Susanne Ohnhaus, Gisbert Osmy, Bianca Schöning, Mücke Voss, Ute Zopf. Gisbert und Nana haben auf- und abgebaut, Gisbert saß an der Kamera, viele halfen mit aufzuräumen, wir sind schon eine tolle Truppe – DANKE!

Luisa Linkersdörfer am Literaturtelefon

Am Literaturtelefon unter der Rufnummer 0431/901-8888 und auf www.literaturtelefon-online.de sind in den nächsten Wochen die Preisträger des vom Freundeskreis des Literaturhauses Schleswig-Holstein e.V. ausgeschriebenen Jungen Literaturpreises S.-H. 2019 zu hören.
Luisa Linkersdörfer gewann mit ihrem Text „Der Hund, der aus dem Meer kam“, den sie vom 20. bis 30.5. am Literaturtelefon liest, den 2. Preis.
Aus der Laudatio von Stephan Ratschow (Mitglied der Jury des Jungen Literaturpreises S.-H.): „Unsere Welt ist ja tatsächlich zuweilen kompliziert und ein bisschen abgedreht, also abgerückt – von dem Normalen? Was war noch gleich normal?“
Jule, der Protagonistin in Luisa Linkersdörfers Erzählung „Der Hund, der aus dem Meer kam“, haben die Ärzte eine leichte Form des Autismus diagnostiziert. „Ihre Mutter hat nach der ärztlichen Diagnose, die erst vier Wochen zurück liegt, endlich eine Schablone, mit der sie ihre Tochter verstehen kann. ’Typisch autistisch!’ Und das heißt was?“
„Entwicklungsstörung, die sich u.a. […] im Umgang mit Mitmenschen, in der Kommunikation und in sich wiederholenden und stereotypen Verhaltensweisen äußert. Es wird zwischen mancherlei Formen der Störung unterschieden. Die Unterscheidung fällt in der Praxis jedoch immer schwerer, da zunehmend leichtere Formen der einzelnen Störungsbilder diagnostiziert werden“, so heißt es u.a. auf www.autismus.de.
In der Laudatio weiter: „In unaufgeregter, bescheidener Sprache erzählt Luisa Linkersdörfer von Jules etwas besonderen Sicht auf die Welt und das Leben, ihre Beziehung zur Natur, die Zuverlässigkeit ihres Katers Taco und die Stärke des neuen Genossen, der Hund Argo, der sich ihr einfach so zugesellt.
Gerne hätte ich Luisa gefragt, ob die liebevolle, schlichte Darstellung des Autismus eine Metapher auf das sei, was unsere Gesellschaft fast schon verloren hat? – Ehrfurcht vor dem Lebendigen, Respekt der Natur gegenüber und den Erhalt der natürlichen Ökosysteme.
Luisa ist ein spannender, interessanter Text gelungen, der zum Glück happy endet. Hören Sie selbst.“
Literaturtelefon Kiel: 0431/901-8888 www.literaturtelefon-online.de
Kontakt: kontakt@literaturtelefon-online.de Jörg Meyer, Tel.: 0431/2602656, 0171/8369532
Nicolas Geissler am Literaturtelefon

Am Literaturtelefon unter der Rufnummer 0431/901-8888 und auf www.literaturtelefon-online.de sind in den nächsten Wochen die Preisträger des vom Freundeskreis des Literaturhauses Schleswig-Holstein e.V. ausgeschriebenen Jungen Literaturpreises S.-H. 2019 zu hören.
Nicolas Geissler gewann mit seinem Text „Auch der ewige Sommer muss enden“, den er vom 6. bis 19.5. am Literaturtelefon liest, den 1. Preis. Wir präsentieren die Lesung des Autors in voller Länge (ca. 21 Minuten). In einer Art Coming-of-Age-Geschichte trifft Celeste nach längerer Zeit ihren Vater wieder, weil sie Zukunftsängste plagen. Wie ihre (getrennten) Eltern ist sie eine Vagabundin, was einerseits Freiheit, aber auch Heimatlosigkeit bedeutet. Den „himmelblauen“, hippie-haften, ja, aus ihrer Sicht reichlich „blauäugigen“ Lebensentwurf ihrer Eltern (die Mutter lebt auf einem Hausboot) hat sie einerseits übernommen, andererseits opponiert sie dagegen, weil sie sich auf der Suche nach dem eigenen Glück nirgendwo „angekommen“ fühlen kann. Die Jury lobte vor allem die „unaufgeregte“ Präzision, mit der die inneren Zustände der Protagonistin in äußeren Bildern reflektiert werden, die eben ganz und gar nicht „himmelblau“ seien.
Literaturtelefon Kiel: 0431/901-8888 www.literaturtelefon-online.de
Kontakt: kontakt@literaturtelefon-online.de Jörg Meyer, Tel.: 0431/2602656, 0171/8369532
Das Literaturtelefon Kiel wird betrieben von Jörg Meyer und wird gefördert vom Amt für Kultur und Weiterbildung der Landeshauptstadt Kiel.